Archiv für den Monat: Mai 2022

Robert C. Rore: „Der Ursprung der Welt – die andere Seite“

Manet malte 1863 sein Bild „Olympia“. 1865 wurde dieses Bild ausgestellt und löste einen Riesenskandal aus. Die junge Frau, die da so unfassbar stolz und nackt präsentiert wurde, war natürlich nicht komplett entblößt: mit einer Hand deckt sie ihre Vagina ab. Diese Hand anzuheben und die komplette Nacktheit zu sehen, hätte in Wirklichkeit sehr viel Geld gekostet. Da ganz Paris wusste, dass es sich bei dem Modell um eine bekannte „Käufliche“ handelte, wurde praktisch jeder Betrachter des Bildes zu einem möglichen „Käufer“ der Dienstleistungen der jungen Frau. Entsprechend aufgebracht reagierte insbesondere das männliche Publikum und attackierte das Bild mit Regenschirmen und Polizei musste zum Schutz des Bildes anrücken.

Der Maler Gustave Courbet hat den Salon 1865 sicher besucht und dabei Monets „Olympia“ gesehen – und 1866 war ein nicht minder skandalträchtiges Bild auf der Welt: „Der Ursprung der Welt“ (L’Origine du monde) von Courbet. Da das Bild, ein direkter Blick auf eine behaarte Vulva zwischen gespreizten Beinen, eine Auftragsarbeit des osmanischen Diplomaten und Kunstsammlers Khalil Bey war, erschien Courbets Werk nicht auf irgendwelchen Ausstellungen. Das Bild war eher ein Raunen in der Welt der Kunstkenner denn dass es jemand mit eigenen Augen gesehen hätte. Verdeckte zuerst ein Vorhang das skandalträchtige Bild, wurde später ein richtiger Schrein um den Ursprung der Welt gezimmert – eine unverfängliche Schneelandschaft musste mit einem Schlüssel geöffnet werden um den Blick auf den Ursprung der Welt frei zu geben.

Heute sind beide Werke im Musée d’Orsay in Paris zu sehen und man kann mit großem Vergnügen dort eine Bildungsreise der Darstellung weiblicher und männlicher Geschlechtsmerkmale oder -teile machen.

Natürlich hat der Ursprung der Welt auch eine andere Seite – die männliche nämlich. Die darzustellen stellte sich für mich als gar nicht so einfach heraus. Courbets Bild ganz klassisch rechteckig im Querformat wurde bei meiner „anderen Seite“ zum Tondo. Ein kreisrundes Format, um die Blicke des Voyeurs zu betonen. Die verstohlene Schlüssellochperspektive auf männliche Geschlechtsteile ohne jeden Verweis auf ein Drumherum. Die Rahmung der Bilder sind kreisrunde Leuchtringe. Eigentlich hat Licht die Funktion etwas sichtbar zu machen, hier aber überstrahlen die Lichtringe die Bilder und machen eher unsichtbar denn sichtbar. Und wer bei den Leuchtringen an Heiligenscheine denkt und einen altarähnlichen Aufbau sieht, ist nicht weit von Courbets Bild entfernt. Das war in einem verschließbaren Schrein eingesperrt – wie ein gotischer Flügelaltar, dessen prächtiges Innenleben nur an Festtagen gezeigt wurde. Zu sehen sind die Werke in der Ausstellung „Eine Runde Sache“. (Robert C. Rore)

Eine Runde Sache

Grafik mit verscjieden großen weißen Kreisen auf hellgrauem Hintergrund

Eine Runde Sache
Gruppenausstellung ab 12. Mai 2022

Mit Arbeiten von busn, Nikolaus Keller, Dirk Klose, Astrid Köhler, Robert C. Rore, Sergey Sovkov, Kurt Walters u.a.

Der Titel dieser Gruppenausstellung ist keine Reminiszenz an unser 25-jähriges Firmenjubiläum, welches wir leider pandemiebedingt vergangenes Jahr nicht feiern konnten – nein, der Titel beschreibt das Format der künstlerischen Arbeiten, diese sind nämlich allesamt rund.

Runde Bilder kommen in der Kunstgeschichte durchaus vor. Das vielleicht berühmteste ist Michelangelos „Tondo Doni“ (die Heilige Familie), welches in den Uffizien zu bewundern ist und in dessen Hintergrund die Nackerten nur so wuseln. Bei Sebald Behams „Frauenbad“ nach einer Vorlage von Albrecht Dürer oder bei Ingres’ „Das türkische Bad“ nehmen die Künstler mit dem Rund quasi die „Blick durchs Schlüsselloch-Perspektive“ ein, um die dargestellten erotischen Szenen nochmals zu unterstreichen. In unserer Ausstellung lässt sich dies allenfalls den Gemälden von Robert C. Rore und Sergey Sovkov andichten. Ins Surreale schweifen die Arbeiten von Astrid Köhler und ins Reale die von Dirk Klose. Handfest wird’s bei der Installation „Die vier Jahreszeiten“ von busn, die entfernt an die legendäre Kantine des SPIEGEL erinnert und Nikolaus Kellers Arbeiten können sehr wohl als Talismane durchgehen.

Die Vernissage findet am 12. Mai ab 19 Uhr in Anwesenheit des einen oder anderen Künstlers statt. Alle Exponate der Ausstellung sind ab dem Abend der Eröffnung wie gewohnt in unserem Web-Shop zu finden.

Geboren um sterbend zu leben

Leo Pfisterer, Skulptur: Geboren um sterbend zu leben - Don Quijote, Bronze, ca.58x44x17cm, Auflage 10, o.A.d.J.

Seit Jahrhunderten geistert der Ritter von der traurigen Gestalt, Don Quijote, durch die Literatur. Schon am Anfang des 17. Jahrhunderts von Miguel de Cervantes erdacht, war das Werk ein früher Bestseller, der auch recht schnell ins Deutsche übersetzt erschien.

Bis heute hat der Roman und die Figur des Don Quijote zahlreiche Kunstschaffende inspiriert und nicht nur die deutsche Sprache um die Redewendung „Kampf gegen Windmühlen“ bereichert.
Der Erfolg des Don Quijote erklärt sich dadurch, dass sich hinter der Komödie ein tragisches Schicksal verbirgt. Denn erst auf dem Totenbett erkennt der einsame Ritter Don Quijote die Sinnlosigkeit seines Handelns – eine zutiefst menschliche Verhaltensweise. In der elften Ausgabe unserer Ausstellungsreihe „The Male Figure“ kommt Skulptur zahlreich vor. Neben den köstlich humorvollen Figuren von Elke Biel, beispielsweise auch die Bronze mit dem oben stehenden Titel und der dem Don Quijote gewidmeten Skulptur von Leo Pfisterer. Merke: Manches Mal ist’s gut, sich vorher Gedanken zu machen.

Elke Biel, Illusion I, Skulptur: Holz, Draht & Ton Keramik, 57x17x15cm, monogr., dat.